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Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Regierung

Inhaltsverzeichnis:
– Hüter der Bayerischen Verfassung
– Mittelalterliche Scheinwahlen im geknebelten Parlament
– Geldsorgen
– Bewegter Stillstand
Logo mit Gebäude des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und Schriftzug
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Geldsorgen

Zum Schutz vor Fremdbestimmung ist der BayVerfGH auch im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Staatsgerichtshof, der nur ein „Anhängsel“ des Bayerischen Obersten Landgerichts war, als selbstständige Institution konzipiert worden. Umso verwunderlicher ist es daher, dass der BayVerfGH finanziell von der Regierung abhängig ist.

Nach Art. 68 I BV wird der BayVerfGH beim Oberlandesgericht München, das zum Geschäftsbereich des Bayerischen Justizministeriums gehört, gebildet. Das bedeutet, dass er über keinen eigenen Haushalt verfügt, sondern seine Ein- und Ausnahmen im Einzelplan des Justizministeriums aufgeführt werden. Im Kern ist der BayVerfGH folglich immer noch ein Annexgericht wie der Staatsgerichtshof.

Gebäude des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

Für diese Anbindung, die – wie oft betont wird – rein organisatorischer Art sei, spricht, dass der BayVerfGH so hinsichtlich der räumlichen Unterbringung, des Personals und der Sachausstattung auf die Mittel des OLG zurückgreifen kann. Die Verfassungsgeber hatten wohl angenommen, dass dem Gericht weniger Bedeutung zukommen würde, als es heute besitzt. Darauf deutet auch hin, dass die Tätigkeit am BayVerfGH ursprünglich ausschließlich nebenamtlich vorgesehen war, weshalb keine größeren Personalkosten zu erwarten gewesen wären.

Wie gefährlich es aber werden kann, wenn die Hüter der Verfassung auf die gute Laune der Exekutive angewiesen sind, kann man am Beispiel des Bundesverfassungs­gerichts erkennen. Dessen Errichtung 1951 wurde zum Streitthema zwischen der Regierung, die sich ein möglichst harmloses, „normales“ Gericht wünschte, und der Opposition, die ein starkes Verfassungsorgan zur Durchsetzung ihrer Rechte nach bayerischem Vorbild wollte. Man einigte sich auf eine zweideutige Formulierung und ressortierte das BVerfG wie die übrigen Gerichten beim Justizministerium.

Im Jahr 1952 sah sich das BVerfG wegen seiner regierungskritischen Rechtsprechung wiederholt Angriffen von Justizminister Dehler ausgesetzt, der ihm Rechtsbruch vorwarf, Beschlüsse nicht anerkennen wollte und mit einer Reform des Gerichts drohte. Dehler – übrigens die gleiche Person, die sich sechs Jahre zuvor noch in Bayern für ein starkes Verfassungsgericht eingesetzt und den BayVerfGH als „Zitadelle der Demokratie und der Freiheit“ bezeichnet hatte – hielt es nun für seine Pflicht, „die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sorgfältig zu überwachen. Und das konnte er in der Praxis als ihr „Dienstherr“ auch, denn die Richter wurden zwar vom Parlament gewählt, doch er zahlte ihre Bezüge sowie die der weiteren Angestellten, die er wiederum ernannte. Außerdem durfte das BVerfG nur über den Dienstweg, also mit Billigung des Justizministeriums, mit anderen Verfassungsorganen in Kontakt treten.

Das BVerfG fühlte sich gezwungen, sich in Eigeninitiative zu emanzipieren und seinen Status als souveränes Verfassungsorgan in einer gemeinsamen „Denkschrift“ zu verkünden:

„Das Bundesverfassungsgericht als der oberste Hüter der Verfassung ist nach Wortlaut und Sinn des Grundgesetzes [..] zugleich ein mit höchster Autorität ausgestattetes Verfassungsorgan. Hieraus ergibt sich, daß [...] [es] organisatorisch nicht irgendwie von einem anderen Verfassungsorgan abhängig oder gar ihm unterstellt sein [kann]. Aus diesem Grunde kann auch kein Ministerium [...] für sich in Anspruch nehmen, im Bereich der Justizverwaltung Aufsichtsbefugnisse über das Bundesverfassungsgericht auszuüben. Als unabhängiges Verfassungsorgan muß das Bundesverfassungsgericht vielmehr auf dem Gebiet der Verwaltung unabhängig sein. Soweit es mit anderen obersten Bundesorganen zu tun hat, muß es ohne Zwischenschaltung einer ministeriellen Instanz selbstständig und direkt mit diesem [gleichberechtigt] verkehren.

Die jetzige Praxis, nach der die wichtigsten Verwaltungs- und Aufsichtsgeschäfte [wie die Auswahl der wissenschaftlichen Hilfskräfte und Beamten] durch das Bundesjustizministerium vorgenommen werden, ist daher mit der verfassungsrechtlichen Situation nicht vereinbar. [Diese Funktion obliegt] ausschließlich dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts [...].

[...] [Ferner ergibt sich], daß der Haushalt des Bundesverfassungsgerichts nicht als ein Kapitel im Einzelplan eines Ministeriums in Erscheinung treten darf. Vielmehr muß [er], wie [...] dies auch bei den anderen obersten Bundesorganen der Fall ist, [...] einen selbstständigen Einzelplan im Gesamtetat darstellen. Es ist allein Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, den Haushaltsplan mit den geeigneten Hilfskräften aufzustellen. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat diesen Haushalt gegenüber dem Bundesfinanzminister und dieser den Gesamthaushalt den gesetzgebenden Körperschaften zu vertreten. Das Bundesverfassungs­gericht hat schließlich seine Haushaltsmittel selbst zu verwalten.

Die Regierung gab nach und die Forderungen des BVerfG wurden parlamentarisch umgesetzt. Aufgrund des Homogenitätsgebots war damit auch die Stellung der Landesverfassungsgerichte geklärt.

Dass es in Bayern in den Jahren davor zu keiner ähnlichen Krise gekommen ist, mag an der unterschiedlichen politischen Kräfteverteilung gelegen haben. Beide große Parteien entwarfen den BayVerfGH in Zusammenarbeit als unabhängiges Verfassungsgericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit über den anderen Staatsorganen steht, mit und dieses Verständnis wurde von ihren späteren Regierungen nicht angezweifelt. In seiner Anfangszeit bot der BayVerfGH ihnen mit einer Reihe an „Mitläufer-Urteilen wohl auch keinen Anlass dazu. Immerhin nutzte er diese Ruhe, um in seinen Entscheidungen seine staatspolitische Stellung zu zementieren und wichtige Grundsätze wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu entwickeln, das das BVerfG später aufgriff. Dass die Bindung an das OLG München verwendet werden könnte, um Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen, kam für die Regierung also auch schon vor 1952 nie in Frage.

Dennoch ist es gerechtfertigt, sich heutzutage Gedanken darüber zu machen. Denn auch wenn die Mitglieder des BayVerfGH größtenteils nebenamtlich tätig sind, erhalten sie nach dem Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs ansehnliche Vergütungen: der Präsident monatlich 1.500 €, Bericht-/Mitberichterstatter für jeden erledigten Fall 750 € bzw. 350 € und alle Mitglieder je teilgenommener Sitzungstag 200 €. Die Mitglieder, die ihren Wohnsitz nicht in München haben, erhalten des Weiteren eine Reisekostenvergütung. Der Präsident kann zudem über zusätzliche Mittel für „außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen“ (z. B. zur Durchführung von Veranstaltungen) verfügen. Für die Richterroben aus blauem Stoff mit dunkelblauem Samtbesatz (§ 6 GeschOVfGH) veranschlagt der Staat jährlich 3.100 €. Auch bei einem Annexgericht gibt es also Möglichkeiten, wie die Regierung finanziell Druck ausüben könnte. Da der Etat des BayVerfGH auf mehrere Stellen im Haushaltsplan des Justizministeriums unübersichtlich aufgeteilt ist, könnten Änderungen im Landtag unbemerkt durchgewunken werden. Ein weiteres Argument für einen selbstständigen Einzelplan ist, dass nur so eine effiziente Einnahmen-/Ausgabenüberprüfung möglich wäre. Aufgrund dieser Erwägungen verfügen inzwischen bis auf Bayern, Bremen und Rheinland-Pfalz alle Landesverfassungsgerichte über einen eigenen Haushaltsplan.

Die politischen Positionen der Regierung und der Landtagsfraktionen sind bei diesem Problemkreis breiter gestreut:

Im Innenministerium (das nach § 3 Nr. 1 a) StRGVV für staatsrechtliche Angelegenheiten zuständig ist) und bei der CSU-Fraktion ist man der Ansicht, die durch die Verfassung gewährleistete richterliche Unabhängigkeit werde durch die Bildung des BayVerfGH beim OLG München, die in der Verfassung selbst vorgesehen ist, nicht berührt.

Von der SPD heißt es, der BayVerfGH sei von seiner Struktur her nicht mit dem BVerfG zu vergleichen und brauche keinen eigenen Etat. Er habe im Jahr nur wenige Fälle zu verhandeln. Die Eingangszahlen seien mit denen des BVerfG nicht zu vergleichen. Der BayVerfGH habe keine Richter, die ausschließlich am BayVerfGH Recht sprechen.

Die FREIEN WÄHLER halten es hingegen für durchaus gerechtfertigt, die enge Bindung der Justiz an die Exekutive vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung kritisch zu hinterfragen. Für sie wäre es daher durchaus vorstellbar, die Gerichte mit einem dem Obersten Bayerischen Rechnungshof, dessen Mitglieder ebenfalls mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattet sind, vergleichbarem Vorschlagsrecht bei der Aufstellung des Haushalts auszustatten. Nachdem der Voranschlag unverändert dem Entwurf des Staatshaushalts beizufügen wäre, wäre für den Landtag aufgrund der beiden Vorlagen eine Abweichung der Staatsregierung sofort ersichtlich, was letztlich auch zu mehr Transparenz führen würde.

Die GRÜNEN finden ebenfalls, der BayVerfGH sollte nach dem Vorbild des BVerfG unabhängig organisiert und verwaltet werden.

Die AfD meint, dass sicher auch Argumente dafür sprächen, den BayVerfGH mit einem autonom zu gestaltenden Haushalt auszurüsten. Sie will allerdings nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen. Mit ihrer Forderung nach der Einsetzung von Richterwahlausschüssen glaubt sie für das Rechtswesen in Bayern die entscheidenden Weichen zu stellen.

Von der FDP habe ich keine Antwort erhalten.

Kombiniert erlauben das aktuelle Wahlsystem und die zwar langjährig praktizierte, aber ungesicherte Haushaltsautonomie des BayVerfGH der Regierungspartei, unverhältnismäßig großen Einfluss auf seine Besetzung zu nehmen und auch ein Stück weit seine Rechtsprechung zu kontrollieren. Doch wie ließe sich etwas daran ändern?

Bewegter Stillstand

Zunächst bestünde die Möglichkeit, dass der BayVerfGH selbst den entscheidenden Anstoß gibt. Er könnte öffentlich erklären, dass er seine Unabhängigkeit gefährdet sieht, und die Politik zum Handeln auffordern. Die Notwendigkeit einer solchen Selbstemanzipation wie beim BVerfG in den 1950ern, das akut wirklich um seinen Bestand und seine Integrität fürchten musste, besteht momentan aber nicht. So scheint es auch der BayVerfGH zu sehen. Auf Anfrage teilte mir die Generalsekretärin mit, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs und seiner Mitglieder sei, die Vorgaben des Gesetzgebers bezüglich der Wahl und der nebenamtlichen Tätigkeit verfassungs- und rechtspolitisch zu bewerten. Entsprechendes gelte für die Anbindung an das OLG München. Ihrer Aussage nach seien Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit des BayVerfGH damit nicht verbunden. Tatsächlich sollte man angemessenerweise auch davon ausgehen, dass die allermeisten Mitglieder, wenn nicht sogar alle, ihren Amtseid sehr ernst nehmen. Wenn man den Vorwurf der Parteilichkeit nicht an das System, sondern an die Institution des Gerichts selbst richtet, wird man den Richtern nicht gerecht, die dort Großes leisten und sich diese Kritik sehr zu Herzen nehmen. Deswegen hat es sich bei der Opposition eingebürgert, Protest am Abstimmungsverfahren, nicht aber an dem Kandidaten, mit einer Stimmenthaltung statt einer Ablehnung anzuzeigen . Auch wenn es die CSU sicherlich unter Druck setzen würde, ist es aber realitätsfremd von einem Kandidaten zu erwarten, die Wahl nicht anzunehmen. Die Richter haben ja nicht unrecht: In einer idealen Welt ist es die Aufgabe des (Volk-)Gesetzgebers, das Wahlsystem zu ändern.

Sitzverteilung im aktuellen Bayerischen Landtag

Eigentlich wäre der Landtag also am Zug. Problematisch ist, dass für die Einführung der Zwei-Drittel-Mehrheit und vermutlich auch für den selbstständigen Haushaltsplan – je nachdem wie eng man das Wort „bilden“ in Art. 68 I BV („Der Verfassungsgerichtshof wird beim Oberlandesgericht in München gebildet.“) auslegt – eine Verfassungsänderung erforderlich ist, die wiederum mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet werden muss. Ein Blick auf die aktuelle Sitzverteilung zeigt, dass hierfür die Stimmen der CSU unabdingbar sind. Die Opposition könnte zwar versuchen, sich mit den FREIEN WÄHLERN zusammen zu tun und andere Probleme wie die Stellung des Präsidenten zu überarbeiten oder das Ausspracheverbot rückgängig zu machen. Für diese „normalen“ Gesetzesänderungen würde eine einfache Mehrheit ausreichen. Diese Kooperation ist aber auch unrealistisch, weil die FREIEN WÄHLER damit den Bruch der Regierungskoalition riskieren würden. Außerdem ist die Zusammensetzung des Landtags heutzutage zersplitterter als noch 1990, als es bloß zwei Oppositionsfraktionen gab. Und sogar die haben ihre Anträge nicht immer gegenseitig unterstützt, weil Uneinigkeit bezüglich des Vorgehens oder inhaltlichen Kleinigkeiten bestand. Die Parteien müssten also bereit sein, „extremere“ Forderungen vorübergehend hintenanzustellen, um geschlossen als starke Front gegen die CSU auftreten und zumindest eine teilweise Verbesserung der Situation herbeiführen zu können. Eine richtige Reform kann und wird es im Parlament aber nicht geben, solange die Mehrheitspartei blockiert.

Auf den ersten Blick hat die Regierung(spartei) nichts davon, den ihr dienlichen Status Quo zu hinterfragen. Innerhalb der Parteibasis würde es wohl auch für Unmut sorgen, wenn diese jahrzehntelang verbittert verteidigte Position plötzlich aufgegeben wird. Dieser 180-Grad-Kurswechsel könnte zudem als Wahlkampfaktion kritisiert werden. Allerdings würde auch die Regierung davon profitieren, wenn dem BayVerfGH das schlechte Image der Parteilichkeit nicht länger anhaftet. Sollte die CSU wieder ein kontroverses Pilotprojekt starten und die Opposition erfolglos dagegen klagen, würde das Urteil des BayVerfGH eher als gerecht und endgültig akzeptiert werden, wodurch wieder Ruhe einkehrt. Die Regierung könnte der Bevölkerung dann besser vermitteln, dass die Bedenken unbegründet waren, was ihre Chancen bei der nächsten Wahl steigern würde. Die CSU kann es sich eigentlich nicht leisten, zu riskieren, dass ihr schlimmster Albtraum eintritt, nämlich sie unter 33 Prozent fällt und die anderen Parteien dann Verfassungsänderungen und neue Richter gegen ihren Willen durchdrücken können.

Schließlich könnte noch das Volk selbst im Rahmen der direkten Demokratie eine Änderung herbeiführen. Die Chancen auf einen erfolgreichen Volksentscheid, bei dem die Leute die Wahl zwischen „naja“ und „besser“ haben, stehen nicht schlecht. Um aber dorthin zu kommen, bräuchte es erstmal die unrealistische Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag oder eben ein erfolgreiches Volksbegehren. Dies wurde in der Vergangenheit schon einmal vergeblich versucht. Als Nachspiel des BayVerfGH-Urteils zum Müllkonzept 1994 wurde das Volksbegehren „Mehr Demokratie in Bayern: Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen“, das sich auch im Volksentscheid gegen den Landtagsentwurf durchsetzte, erfolgreich durchgeführt. Der BayVerfGH erklärte 1997 das neu entstandene Gesetz aber inhaltlich in mehreren Punkten für verfassungswidrig und verlangte Änderungen. Die Opposition sah darin ein CSU-freundliches, politisch motiviertes Urteil und kündigte ein neues Volksbegehren zur Umgestaltung des BayVerfGH an. Dieses konnte aber nur 3 % der Stimmen erhalten und scheiterte krachend. Es hat sich herausgestellt, dass die Thematik einfach zu komplex und „trocken“ ist, um genügend Bürger zu begeistern. Außerdem hat das Verfassungsgericht durch eine ausgewogenere Rechtsprechung seit der Jahrtausendwende, z. B. zum Richterwahl-Volksbegehren, zur Einführung unverbindlicher Volksbefragungen oder erst kürzlich zum Bayerischen Integrationsgesetz, selbst dazu beigetragen, dass wieder mehr über den Inhalt und weniger über die Institution diskutiert wird. Es bräuchte eine weitgehend als zutiefst ungerecht und parteiisch empfundene BayVerfGH-Entscheidung zu einem emotional aufgeladenen Fall und herausragende PR-Kampagnen seitens der Initiatoren, um den Bürgern die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Änderung zu vermitteln. Selbst dann muss man jedoch berücksichtigen, dass die Regierungspartei im Vorteil ist. Schließlich darf sie ja im Rahmen des Sachlichkeitsgebots maßlos gegen Volksgesetzgebungsversuche hetzen.

Viel ändern wird sich in nächster Zeit somit wohl eher nicht. Allerdings gibt es sinnvolle Möglichkeiten, wie der BayVerfGH selbst dazu beitragen könnte, sich mehr Ansehen in der Bevölkerung zu verschaffen.

Einerseits könnte den Beschwerdeführern das Klageverfahren erleichtert werden. Zwar findet sich auf seiner Homepage bereits ein Merkblatt zur Verfassungsbeschwerde und Popularklage. Auch das Hinweisschreiben des Referenten, wieso die Klage aus seiner Sicht (nicht die eines Richters) keinen Erfolg haben wird, ist sehr ausführlich (oft bis zu 20 Seiten lang) und auf den Einzelfall bezogen, sodass dem Bürger signalisiert wird, dass man ihn ernstnimmt. Bei einem solch wichtigen Gericht wäre jedoch die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs wünschenswert. Gerade bei Eilanträgen geht viel wertvolle Zeit verloren, wenn man auf dem Postweg kommuniziert. Idealerweise könnte man einen passwortgeschützten Bereich einrichten, in dem der Beschwerdeführer sich immer nach dem aktuellen Bearbeitungsstand seines Anliegens erkundigen kann – eine Art „Sendungsverfolgung“ für Klagen. Alle bisherigen Entscheidungen müssen unbedingt digitalisiert werden, damit sie leichter zur Recherche zugänglich sein. Auf der Homepage findet sich nur eine kleine Auswahl und auch in juristischen Datenbanken stößt man oft lediglich auf eine Kurzfassung. Der Geschäftsverteilungsplan sollte nicht nur im Bayerischen Staatsanzeiger, den man in den Bibliotheken erst in den Lesesaal anfordern muss, sondern auch kostenlos auf der Webseite veröffentlicht werden.

Andererseits muss der BayVerfGH seine Öffentlichkeitsarbeit insgesamt verbessern. Zwar gibt es die erwähnte Homepage, doch diese ist recht minimalistisch gestaltet. Es fehlen Schaubilder und simple Erklärvideos zum Wahlverfahren, zu den Zuständigkeiten oder zum Entscheidungsablauf, die auch juristische Laien verstehen. Die gelegentlichen Tage der Offenen Tür sind eher für ältere, lokal ansässige Bürger sinnvoll. Meine Anfragen nach einem Interview mit einem BayVerfGH-Mitglied wurden allesamt leider abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht ist weitläufig bekannt und zählt zu den beliebtesten Institutionen des Landes, doch vom BayVerfGH haben viele Bürger höchstens schon einmal gehört, ohne genau zu wissen, wofür er gut ist.

Dabei ist der BayVerfGH trotz seiner Mängel ein deutschlandweit einzigartiges Gericht, das für die Rechte der Bürger eintritt und die Verfassung schützt. Dass oft über ihn gestritten wird, verdeutlicht lediglich seine wichtige Stellung im politischen System Bayerns und die Wertschätzung, die ihm (auch über die Grenzen Bayerns hinaus) entgegengebracht wird. Daher müssen diese Diskussionen weiterhin ausgetragen und vor allem für eine größere Öffentlichkeit begreifbar gemacht werden. Damit alle Bayern wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie in Not sind: den Bayerischen Verfassungsgerichtshof in der Prielmayerstraße 5.